Dienst für junge Menschen

Wie ein junger Mann vom Basketballprofi zum Ordensmann wurde

Schon als Kind möchte Marko Krstanović Basketballprofi werden. Doch dann beendet er seine Karriere, wird Salesianer Don Boscos und zieht ein Leben im Glauben und in Gemeinschaft für junge Menschen dem Glanz des Profisports vor.

veröffentlicht am 28.05.2024

Im September 2020 ist Marko Krstanović endlich an seinem langjährigen Ziel angekommen: Er spielt Basketball in der ersten Bundesliga. Doch schon zum Ende der Saison teilt sein Verein, der Syntainics MBC, mit, dass der damals 23-jährige gebürtige Berliner mit kroatischen Wurzeln sich beruflich neu orientieren möchte. „Das mag für viele im ersten Moment nicht verständlich sein. Die Entscheidung ist mir auch nicht leichtgefallen“, wird er in der Mitteilung zitiert. „Aber ich habe mich insgeheim schon länger damit befasst, einen Weg außerhalb des Profibasketballs einzuschlagen.“ Was damals noch nicht bekannt ist: Marko Krstanović möchte Ordensmann werden.

Schon im Herbst desselben Jahres macht er als Aspirant und wenig später als Vornovize bei den Salesianern Don Boscos in Kroatien den ersten offiziellen Schritt auf seinem Weg in den Orden. Mindestens acht Jahre wird es von da an dauern, bis er sich mit der sogenannten Ewigen Profess endgültig dem gottgeweihten Leben als Salesianer Don Boscos verschreiben wird. Durch die Erste Profess hat Krstanović im September 2023 bereits seine ersten zeitlichen Gelübde abgelegt und studiert aktuell mit Mitbrüdern aus aller Welt in Rom Philosophie.

Ernsthafte Zweifel an seinem Weg hatte er bislang nicht, wie er in einer ruhigen Ecke des Campus der Università Pontifica Salesiana in der italienischen Hauptstadt am Rande eines von Bäumen gesäumten Weges erklärt. Manchmal wundere ihn das.

Denn viele seiner Mitbrüder kennen diese Zweifel. Es ist ganz normal und in jeder Ausbildungsphase vorgesehen, dass sich Anwärter doch noch gegen ein Leben als Salesianer entscheiden, wie auch Pater Johannes Kaufmann klarstellt, der in der Deutschen Provinz der Salesianer Don Boscos für Berufungspastoral und damit auch für Interessenten am Ordensleben zuständig ist. „Die Freiheit der Entscheidung ist in jedem Moment das höchste Gut“, sagt er. „Darauf legen wir sehr viel Wert.“ Krstanović schätzt diese Offenheit sehr. „Bei den Salesianern habe ich eine Liebe erfahren, die nichts im Gegenzug erwartet. Sie investieren in mich für mein Gutes“, erklärt der heute 26-Jährige.

„Gott ist der eigentliche Protagonist dieser Geschichte“

Die Entscheidungsfreiheit hilft Anwärtern auch dabei, den individuell passenden Orden zu finden. Jede Gemeinschaft hat eine eigene Geschichte und Sendung. Für die Salesianer Don Boscos sind drei Aspekte besonders wichtig: „Erstens fühlen wir uns von Gott berufen“, führt Johannes Kaufmann aus. Der Glaube als Kraft und Haltepunkt im Leben sei ein ganz zentraler Punkt. „Zweitens wollen wir für junge Menschen da sein. Das kann auch im Büro sein, aber ich muss damit jungen Menschen helfen wollen“, ergänzt der Beauftragte für Berufungspastoral. „Und drittens tun wir das in Gemeinschaft. Ich muss also auch fähig sein, in Gemeinschaft leben zu wollen.“ Krstanović ist bei den Salesianern Don Boscos am richtigen Ort angekommen. „Was ich im Basketball im Tiefsten meiner Seele gesucht habe, habe ich im Orden gefunden“, sagt er zufrieden.

Das fällt auch seiner Mutter Anica auf. „Früher beim Basketball war sein Lächeln oft verhalten“, erinnert sie sich. „Aber heute strahlt er. Zu sehen, dass er seinen Weg gefunden hat und so glücklich ist, erfüllt mich ebenfalls mit großer Freude.“ Nachdem ihr Sohn den Eltern und seinen beiden Geschwistern bei einem eigens einberufenen Familienessen von der Entscheidung erzählt hatte, brauchte sie zunächst dennoch zwei bis drei Wochen, um ihre Gedanken zum Ordenseintritt zu ordnen. Ihr Mann habe sofort hinter Markos Entscheidung gestanden. Sie aber sei überrascht gewesen von seinem Entschluss, sagt Anica Krstanović, der es immer wichtig war, ihren eigenen Glauben auch an ihre Kinder weiterzugeben. Doch sein Leben sei der Profisport gewesen. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das, worauf er seit der Grundschule hingearbeitet hat, aufgibt.“

Ihr Sohn hat sich für seine Entscheidung viel Zeit genommen. „Bei mir war das ein Prozess“, betont Marko Krstanović. Im Alter von 19 Jahren bringen ihn eine sehr enttäuschende Erfahrung in seiner sportlichen Karriere und das Ende einer Fernbeziehung dazu, seine Situation zu hinterfragen. „In dieser kleinen Krise habe ich angefangen, mehr als zuvor danach zu suchen, was Gott von mir will“, sagt er rückblickend und ergänzt: „Gott ist der eigentliche Protagonist dieser Geschichte.“ Immer wieder begegnet er auf seiner Suche Menschen, die ihm neue Wege aufzeigen und ihn in seinen Entscheidungen bestärken, wie eine Gruppe von jungen Männern und Frauen, die wie er intensiv ihren Glauben leben. Die Salesianer Don Boscos lernt er unter anderem über ein Jugendcamp in Kroatien kennen. Dort freundet er sich mit Domagoj Šarić an, der wie er Basketballprofi ist und in der ersten kroatischen Liga spielt. Wie Krstanović denkt er über ein Leben im Orden nach. „Das war für mich ein großes Geschenk, weil wir so viele Dinge teilen konnten“, sagt Krstanović. Gemeinsam beschließen sie, Salesianer Don Boscos zu werden.

„Ich respektiere das, ich unterstütze das“

Schon bevor Marko Krstanović die Entscheidung fällt, bemerken auch die Menschen in seinem Umfeld, dass er sich verändert. Seinem sehr guten Freund und langjährigen Teamkollegen Benedikt Turudić fällt früh auf, dass Marko sich mehr und mehr mit seinem Glauben auseinandersetzt. „Wofür er sich entschieden hat, das wusste ich natürlich nicht. Dass es in diese Richtung gehen wird, habe ich mir aber schon gedacht.“ Im Urlaub an der Strandpromenade von Makarska in Kroatien erfährt er etwa anderthalb Jahre später, dass sein Freund seine Basketballkarriere beendet, um Ordensmann zu werden. „Tatsächlich hat mich das nicht überrascht“, erklärt der 27-Jährige, der heute bei den Telekom Baskets Bonn weiterhin in der ersten Liga Basketball spielt. Von Anfang an steht Turudić voll und ganz hinter seinem Freund. „Ich respektiere das, ich unterstütze das“, stellt er klar. Mehr noch, er freue sich für ihn.

Auch in der Mannschaft fallen die Veränderungen auf. „Viele in unserem Kreis haben mich angerufen, weil sie Marko nicht selbst fragen wollten“, berichtet Turudić. Sie wissen noch nicht, womit sich ihr Teamkollege auseinandersetzt, und machen sich vor allem Sorgen. Doch Turudić kann sie ihnen nehmen. „Nachdem sie die Geschichte gehört haben, waren dann alle ganz normal“, berichtet er.

Marko Krstanovic mit seiner Schwester und seinen Eltern in der Maria-Hilf-Basilika in Turin

Markos Mutter Anica Krstanović sagt mit Blick auf diese Zeit, sie habe „schon gemerkt, dass irgendwas mit ihm passiert“. Und auch wenn sie von seiner Entscheidung überrascht war, macht sie heute viele passende Situationen in seiner Vergangenheit aus. So habe sich ihr Sohn immer gegen Ungerechtigkeiten eingesetzt, erzählt die 55-Jährige. Zum Beispiel als seine Grundschullehrerin einen Mitschüler auf dem Kieker hatte. Marko habe ihn in Schutz genommen und gesagt: „Sie dürfen so nicht mit ihm sprechen.“ „Das sind so Momente, die typisch Marko sind“, sagt Anica Krstanović.

„Alle sind dabei und freuen sich darauf“

Ein Charakterzug, der sich auch in Marko Krstanovićs Spielweise im Basketball zeigte, wie er selbst hervorhebt. „Für mich war ein wichtiger Pass zu einem Mitspieler, der dann punkten kann, immer wichtiger, als selbst Punkte zu machen. Das war etwas, das mich als Spieler definiert hat.“ Heute nutzt er diese Stärke auch in der Arbeit mit jungen Menschen. An den Wochenenden arbeitet er neben dem Studium regelmäßig mit Jugendgruppen. Nicht selten spielt er dabei auch Basketball. „Ich versuche, so zu spielen, dass ich jeden mit einbeziehe“, sagt er. Der Basketball helfe, ein gutes Verhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen.

Sport ist für Krstanović heute auch ein willkommener Ausgleich zu seinen verschiedenen Aufgaben. Viermal pro Woche spielt er mit den Mitbrüdern seiner Ausbildungsgemeinschaft Fußball. „Jeden Tag in einem sehr einfachen sportlichen Geist zusammen spielen zu können, ist für mich wirklich ein Geschenk“, sagt er. „Alle sind dabei und freuen sich darauf.“ In der Gemeinschaft fühlt er sich sehr wohl.

Noch gut anderthalb Jahre Philosophiestudium liegen vor ihm, bevor Marko Krstanović ein zweijähriges Praktikum in einer Einrichtung des Ordens antritt. Wie es danach bis zur Ewigen Profess weitergeht, hängt davon ab, ob er Priester werden möchte. Dazu müsste er Theologie studieren. Möchte er Bruder bleiben, ist auch eine andere Ausbildung wie zum Beispiel Pädagogik möglich. Welchen Weg er gehen wird, lässt er noch offen. „Ich bin da noch in der Entscheidungsfindung“, sagt er.

Klar ist aber, dass er sich seiner Aufgabe mit voller Kraft verschreiben wird. „Für mich war es immer wichtig, 100 Prozent zu geben“, betont er mit Blick auf seine Zeit als Basketballer. „Diese 100 Prozent versuche ich jetzt, in der Berufung zu geben.“ Er wolle sich „ohne Gegenleistung in den Dienst der Menschen stellen – zusammen mit meinen Mitbrüdern“.

Kurz-Info: Der Weg vom Aspirantat bis zur Ewigen Profess


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