Entwicklung

Vom Halten und Loslassen unserer Kinder

Stefanie Kortmann genießt die Kuscheleinheiten mit ihrer Tochter. Das Baby von damals ist inzwischen zehn Jahre alt und der Mutter ist bewusst: Irgendwann wird das Kind das Zuhause verlassen und eigene Wege gehen.

veröffentlicht am 03.02.2025

Die Mutter ist verzweifelt. Im letzten Jahre starb ihr Sohn nach einer Krebserkrankung. Er lag in ihren Armen als es passierte. Heute schreibt sie: Wenn ich dich doch noch einmal halten könnte! Seit seinem Tod greift sie ins Leere, der Achtjährige ist nicht mehr da. Viel zu früh musste sie ihn loslassen.

Ihre Zeilen gehen mir unter die Haut. Ich erahne ihren Schmerz und ich erinnere mich an die Zeit, als ich meine Tochter Christina in das Leben getragen habe. Diese stillen Momente, wenn sie sich in meinen Armen einkuschelte und einschlief. Zauberhaft! In diesen Minuten war unsere kleine Welt perfekt: Sie brauchte und bekam die Nestwärme, die sie für ihre Entwicklung brauchte und ich? Ich machte in diesen Stunden das, wofür wir Eltern da sind: Schutz geben, Wärme teilen, Vertrauen schenken – eben einfach da sein!

Das Kind hat jetzt die gleiche Schuhgröße wie die Mutter

Mein Baby von damals ist jetzt zehn Jahre alt und trägt – so wie ich – Schuhgröße 38. Die Zeit des Herumtragens ist also lange vorbei. Umso mehr freue ich mich, wenn eine Freundin mit einem Neugeborenen vorbeikommt und ich mal wieder so ein Bündel Leben in den Armen halten darf. Wer kennt es nicht, dieses wohlige Gefühl? Diese Augenblicke sind selten und immer wieder faszinierend.

Auch meine Tochter bekommt noch ihre Kuscheleinheiten – und das manchmal ganz bewusst. Wenn es trubelig wird oder etwas sehr Schönes oder sehr Trauriges passiert, lege ich alles zur Seite und fordere erstmal eine Riesenumarmungsaktion ein. Der Körperkontakt verändert etwas, bringt uns wieder zusammen. Das tut gut, ihr und mir.

„Ich will immer bei dir bleiben“

„Ich will immer bei dir bleiben“, sagte sie letzte Woche als sie mit einer dicken Rotznase an mich heranrobbte. „Ich hoffe nicht!“, antwortete ich. Sie schaute mich irritiert an und ich erklärte: „Ich hoffe, du bist irgendwann so groß, dass du unser Nest verlassen kannst, losfliegst und deine eigenen Kreise ziehst. Dann kann und werde ich dich nicht mehr halten. So ist das Leben.“

Christina war mit dieser Antwort nicht zufrieden. Für diesen Augenblick und erst recht in ihrer kränklichen Verfassung war das ein allzu weit entferntes Zukunfts-Szenario. Sie warf sich jetzt erst recht in meine Arme und drückte ihren fieberkranken Körper eng an mich. Ich gab ihr einen Kuss auf die heiße Stirn, hielt sie fest in meinen Armen und dankte Gott für diesen Moment.


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