Gen Z
Engagement bei jungen Menschen: „Ganz zentral ist das Thema Beteiligung“
Wer sich engagiert, möchte damit etwas bewirken. Doch junge Menschen haben oft erheblich weniger Möglichkeiten der Mitbestimmung und Gestaltung, erklärt die Psychologin Lisa Hasenbein. Außerdem beleuchtet sie, wie Jung und Alt aufeinander blicken.
veröffentlicht am 24.02.2025
Jungen Menschen begegnet immer wieder der Vorwurf, nicht motiviert genug zu sein. Sind die Jugendlichen und jungen Erwachsenen heute weniger engagiert als in früheren Generationen?
Grundsätzlich ist die Bereitschaft junger Menschen, sich zu engagieren, nach wie vor hoch. Wir haben keinerlei Forschungsbefunde, die darauf hindeuten, dass sich junge Menschen weniger engagieren. Vielmehr verändert sich ehrenamtliches Engagement und neue Formen kommen dazu.
Welche neuen Formen sind das?
Das klassische Engagement in Vereinen und verschiedenen Institutionen im unmittelbaren Umfeld kommt immer noch am häufigsten vor, aber es findet teilweise im Rahmen von digitalen Tätigkeiten statt. Ich kann ja Vereine zum Beispiel auch im Bereich der sozialen Medien unterstützen. Junge Menschen schätzen es natürlich, wenn sie bei ihrem Engagement mehr zeitliche und räumliche Flexibilität haben. Das ist dann im Zweifel aber nicht mehr ganz so sichtbar wie Engagement, bei dem man sich vor Ort einbringt. Vielleicht entsteht auch deshalb manchmal der Eindruck, dass nicht mehr so viel passiert.
In welchen Bereichen engagieren sich junge Menschen heute besonders?
Das ist sehr unterschiedlich, weil auch die Motivationen ganz unterschiedlich sind. Zum Teil geht es darum, Dinge weiterzugeben, die man selbst erlebt hat, etwa in einem Sportverein oder im kirchlichen Bereich. Das hat auch viel damit zu tun, wie man aufwächst. Oder jemand möchte sich wegen eines persönlichen Bezugs für die Rechte junger Menschen aus der queeren Szene einsetzen, vielleicht, weil das Thema ihn selbst oder Leute in seinem Freundeskreis betrifft. Die Themen sind so vielfältig, wie es die jungen Menschen auch sind.
Haben sich diese Themenbereiche im Vergleich zu früheren Generationen verändert?
Es sind neue Themen dazugekommen, die vor einigen Jahren und Jahrzehnten noch nicht so groß waren. Im Rahmen des letzten Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung wurden Beteiligungsworkshops mit jungen Leuten durchgeführt. Dabei wurde sehr deutlich, dass ein großer Teil der jungen Menschen sich viel und gerne zu Themen wie Umweltschutz, sexueller Diversität und geflüchteten jungen Menschen engagiert. Sicher haben diese Themen auch gesamtgesellschaftlich an Bedeutung gewonnen. Bei den jungen Menschen wird der Fokus auf diese Themen aber vielleicht besonders spürbar, weil sie in den Sozialen Medien, in denen sie sich bewegen, besonders stark thematisiert und verhandelt werden.
Hat die Generation Z einen anderen Blick auf Arbeit als zum Beispiel die älteren Babyboomer?
Diese Frage wird uns sehr oft gestellt. Sehr wichtig ist, dass wir nicht alle jungen Menschen über einen Kamm scheren können. Die jungen Menschen haben einen total unterschiedlichen Blick auf Arbeit und auch auf alle anderen Themen. Grundsätzlich können wir beobachten, dass der Blick auf Arbeit sich wandelt und Themen wie persönliches Wohlbefinden, eine Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit und die Frage nach Flexibilität an Bedeutung gewinnen. Ich würde behaupten, dass hier auch in älteren Generationen ein Wandel zu beobachten ist, wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Denn diese Generationen wurden anders sozialisiert und sind anders in den Arbeitsmarkt hineingewachsen. Fragen nach Stabilität und klassische berufliche Aufstiegskarrieren hatten eine größere Bedeutung.
Woher kommt diese gesellschaftliche Entwicklung?
Das ist wahrscheinlich zum einen eine Folge von technologischen Veränderungen. Es ist heute einfach mehr Flexibilität möglich, zumindest in manchen Branchen. Zum anderen ist es eine wirtschaftliche Frage und hat auch mit einer Ausdifferenzierung des Bildungssystems zu tun, das flexibler wird. Es ist nicht mehr klar, dass ich für immer eine Sache mache. Auch die stärkere Sensibilität für das Thema mentale Gesundheit überträgt sich stark auf den Arbeitsbereich.
Woher kommt der kritische Blick älterer Menschen auf die junge Generation?
Dieser kritische Blick der Älteren auf die Jüngeren ist nichts Neues. Er ist ein wiederkehrendes Phänomen und es gibt ihn in unterschiedlichen Kulturen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Geschichte. Das hat psychologische und gesellschaftliche Ursachen. Es steckt immer eine Art Abgrenzung dahinter. Und natürlich finden zwischen den Generationen Veränderungen statt, auf die Menschen im ersten Moment tendenziell skeptisch reagieren, weil der Erhalt bewährter Strukturen immer Sicherheit gibt. In der Quintessenz sind diese kritischen Perspektiven aber immer auch ein Ausdruck davon, dass man zu wenig miteinander spricht, sodass sich schnell Vorurteile verfestigen.
Wie blicken denn im Gegenzug die jungen Menschen auf die Generationen ihrer Eltern und Großeltern?
Auch das lässt sich natürlich nicht über einen Kamm scheren. Das hängt sehr stark von den eigenen Erfahrungen mit Erwachsenen im familiären und sozialen Umfeld ab. Je nachdem reicht dieser Blick von einer Mischung aus Respekt und Bewunderung bis hin zu Kritik und Unverständnis. Junge Menschen wollen sich zu einem gewissen Grad abgrenzen, gerade wenn sie erwachsen werden. Ich glaube, da haben wir nicht so etablierte Stereotype wie beim Blick der älteren auf die junge Generation. Aber wir beobachten zum Beispiel in den sozialen Medien, dass es Memes wie „Ok, Boomer“ gibt, die Label aufgreifen, die es schon gibt, und die sich junge Menschen zunutze machen, um sich zum Teil humorvoll, aber auch kritisch von den Älteren abzugrenzen.
Aktuell ist der Ton in vielen gesellschaftlichen und politischen Debatten sehr rau. Man könnte bei Themen wie der Klimakrise oder Fragen der sexuellen Vielfalt meinen, dass sie auch von einem Generationenkonflikt getrieben sind. Gibt es diesen Generationenkonflikt?
Zu einem Teil gibt es ihn sicher aufgrund des Altersunterschieds. Aber dieser Aspekt ist mindestens gleichwertig mit anderen Aspekten wie Bildungsunterschieden, eigenen Wertvorstellungen, Interessen und persönlichen Erfahrungen. Es ist sogar eher so, dass wir, bezogen auf Wertvorstellungen, innerhalb von Altersgruppen größere Unterschiede feststellen als zwischen den Altersgruppen. Wir sehen aber deutliche Unterscheide bei der Frage, inwiefern ich mitbestimmen und mitgestalten kann im Umgang mit gesellschaftlichen und politischen Fragen. Junge Menschen haben oft erheblich weniger Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten als Erwachsene. Und das verändert natürlich ihren Blick auf aktuelle Krisen und Herausforderungen.
Was ist jungen Menschen heute wichtig?
Ganz zentral ist das Thema Beteiligung, das ich eben angesprochen habe. Gerade wenn wir über Engagement sprechen, möchten junge Menschen mitreden, gehört werden und ihren Teil beitragen. Wenn ich nicht sehe, dass mein Engagement zu etwas führt, verliere ich Selbstwirksamkeit und die Motivation, etwas zu tun. Gesehen zu werden, muss dabei nicht immer bedeuten, von der gesamten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, wie etwa bei den Protesten der Letzten Generation. Das funktioniert auch in einem kleineren Rahmen. Wenn ich in meiner Kirchengemeinde oder meinem lokalen Sportverein das Gefühl habe, dass ich in meinem Wirkungskreis ernst genommen und gehört werde, ist auch das Beteiligung und führt zu Selbstwirksamkeit.